Kaffee ohne Herkunft – Was du trinkst, wenn auf der Packung nichts steht

Kaffee ohne Herkunft – Was du trinkst, wenn auf der Packung nichts steht

Die meisten Kaffeeröstereien weisen nicht aus, woher ihre Rohkaffees stammen. Stattdessen dominiert die Kommunikation über Markennamen oder Gefühle. Fakt ist: fast alle Röstereien kaufen und rösten die gleichen Rohkaffees wie alle anderen auch. Wir geben dir Tipps, wie du trotzdem erahnen kannst, was du trinkst.

Als wir unsere zweite Verkostung von italienischem Espresso gemacht haben, ist uns aufgefallen, wie kaum eine Rösterei die Herkunft ihrer verwendeten Kaffees deklarierte. Stattdessen war die Rede von “abgestimmten Mischungen” und “sorgfältig ausgewählten” Rohkaffees.

Und das ist kein Einzelfall. 

Genau das gilt für sehr viele Kaffees, die täglich in Deutschland, der Schweiz und in ganz Europa getrunken werden. Wenn also keine Angaben zur Herkunft gemacht werden – was trinken wir dann eigentlich?

Viele verzichten auf die transparente Herkunftsangabe. Kein Land, keine Region, keine Farm, keine Aufbereitungsart. Warum denn genau?

Warum die Herkunft nicht genannt wird

Es gibt mehrere Gründe, warum Röstereien auf Herkunftsangaben verzichten. 

Flexibilität bei der Mischung:

Die Bestandteile eines Blends können je nach Marktverfügbarkeit und Preisschwankungen angepasst werden. Diese Substituierung ist gang und gäbe. Solange der Kaffee gleich schmeckt, werden Kaffees ausgetauscht. Besonders in Zeiten wie jetzt, wo der Preis stark angestiegen ist, werden Blends neu zusammengemischt, um Preisanstiege zu kompensieren.

Sensorisch darf es keine Abweichung geben, inhaltlich aber sehen vor allem die stets erhältlichen Mischungen immer wieder anders aus. Ein Klassiker dabei ist die Substitution zwischen gewaschenen Kaffees aus Honduras und Peru: in beiden Ländern wird der Kaffee für grosse Volumen gewaschen aufbereitet. Der generelle Charakter der beiden Kaffees ist ähnlich, nussige und zitrische Noten stehen im Vordergrund.

Diese Kaffees werden oft als “billige Säurekomponente” beschrieben - zumindest vor November 2024, also bevor die Preise stark angestiegen sind. Dazu kommt, dass Honduras auf der nördlichen und Peru auf der südlichen Hemisphäre liegt, so dass die Erntezeiten versetzt sind. Im Optimalfall gibt es also immer frischen Kaffee aus diesen Ländern, was die Substitution noch einfacher macht, aber vor allem die Flexibilität bei der Beschaffung erhöht.

Das Branding steht im Vordergrund – nicht der Inhalt

Wir staunen immer wieder über ein Marken-Selbstverständnis, das scheinbar die Transparenz übertrumpft. Es gibt zwar Röstereien, die ein Mischverhältnis auf Basis der verwendeten Arten angeben, allermeistens Arabica und Robusta. 

Wir lesen dann zum Beispiel “100% Arabica" - würden wir alleine diese Angabe für Wein benutzen, wäre das so präzise wie: 100% Wein aus roten Trauben. Das geht doch besser.

Noch oberflächlicher allerdings finden wir diese Beschreibung: Kaffee mit “den besten Bohnen aus den besten Anbaugebieten der Welt”. Das ist nicht nur ein sehr vereinfachter Marketing-Sprech, vor allem ist es im Jahr 2025 erstaunlich anachronistisch und belässt die Konsumenten im Dunkeln.

Keine Rechenschaftspflicht gegenüber Konsument:innen

Es gibt weder in der Schweiz noch in der EU eine Pflicht, die genaue Herkunft (Land, Region) oder Sorte, Varietät oder Verarbeitung auf der Kaffeepackung auszuweisen, solange keine irreführenden Angaben gemacht werden.

Wird jedoch freiwillig eine Herkunft angegeben, muss diese korrekt sein. Es ist zulässig, einen übergeordneten geografischen Raum (wie "Südamerika") statt eines Landes zu nennen. Die Angabe "100% Arabica" ist erlaubt, sofern sie der Wahrheit entspricht.

Transparenz ist freiwillig, aber wenn angegeben, dann richtig und nicht irreführend. Die ab 2026 geltende EUDR-Entwaldungsverordnung fordert dann zwar Transparenz ein, aber nur zwischen Inverkehrbringer und EU-Behörden.

Die Verordnung verlangt von Importeuren und Händlern, dass sie die genaue Herkunft (bis auf die Plantage) nachweisen können, um Entwaldung auszuschließen. Diese Information muss aber nicht zwingend auf der Verpackung für Endkunden stehen, und wird wohl von keiner Rösterei so gehandhabt werden.

Was wir trotzdem wissen (können)

Auch wenn auf der Packung nichts steht, helfen uns Kontextwissen, die sensorische Analyse und zwei solide Quellen, das Bild zu klären: Der Kaffeereport 2024 von Brand Eins und Tchibo zeigt, welche Länder am meisten Kaffee exportieren. Und der European Coffee Report 2023/24 belegt: 

Über 58 % des nach Europa importierten Kaffees kommt aus nur zwei Ländern: Brasilien und Vietnam.

Das erstaunt deswegen wenig, weil Brasilien und Vietnam die größten Kaffee-Produktionsländer sind. Brasilien produzierte 66,4 Millionen 60kg-Sack Kaffee, Vietnam 30,1 Millionen. Oder anders: Brasilien produzierte 38% und Vietnam 17% des globalen Kaffee-Vorkommens. Danach folgen Kolumbien mit 7% und Indonesien mit 6% (zur Statistik).

Kaffees aus Brasilien und Vietnam werden deswegen fast flächendeckend in den meisten Kaffeeprodukten verwendet. Zu beachten dabei ist, dass Vietnam fast ausschließlich Robustas exportiert, und Brasilien die größte Arabica-Produzentin, aber die zweitgrößte Robusta (Conilon)-Produzentin ist.

Wenn wir uns die Statistiken des European Coffee Report anschauen, können wir sehr viel herauslesen.

Diagramm EU Kaffee Importe


Deutschland importierte dabei am meisten Kaffee der 27 EU-Staaten, von 2021-2023 waren es fast 34% aller Importe in die EU. Einige der größten Röstereien wie Tchibo, Dallmayr und co. sind in Deutschland und kaufen Kaffee ein. Italien ist der zweitgrößte Importeur und kaufte in der gleichen Zeit 23.5% aller Rohkaffees in die EU ein. Danach folgen Belgien, Spanien und die Niederlande.

Die größten Importeure in der EU

Deutschland, Italien, Belgien, Spanien und die Niederlande machten 2023 mehr als 82% des gesamten Rohkaffee-Imports nach Europa aus. Die größten Röstereien in den genannten Ländern sind:

  • Deutschland: Tchibo, Jacobs Douwe Egberts
  • Italien: Lavazza, Illycaffè
  • Belgien: Miko Coffee
  • Spanien: Cafés Candelas
  • Holland: Douwe Egberts

Bei Rohkaffee wird gespart - ein "race to the bottom"

Besonders interessant ist diese Grafik, die viel über den Wettbewerbsdruck zwischen Kaffeeröstereien aussagt. Von 2021-23 sehen wir einen starken Rückgang beim Import von brasilianischen Kaffee und einen starken Anstieg von Kaffee aus Vietnam auf der anderen Seite.

welche kaffees werden in der eu getrunken

Was bedeutet das?

Da groß mehrheitlich Arabica-Kaffees aus Brasilien in die EU importiert werden, wurden diese offenbar mit Robusta aus Vietnam ersetzt. Und weil letzterer in der gleichen Zeitspanne immer günstiger war, ist es klar, dass hier nicht nur an der Sensorik geschraubt wurde, sondern vor allem an den Kosten. 

Doch heute sieht es anders aus: Robusta wurde teurer und ist heute doppelt so teuer wie Arabica aus Brasilien in 2023. Im Vergleich zu diesem ist Robusta heute aber immer noch günstiger.

Wenn auf der Verpackung nichts angegeben ist, ist die Wahrscheinlichkeit also sehr hoch, dass der Röstkaffee zu einem grossen Anteil aus Brasilien und Vietnam stammt. 

Uganda ist mit 7,8% auf Platz drei für Kaffee aus den meist importierten Herkunftsländern. 

In Uganda wird über 70% Robusta produziert und exportiert - also liegt auch hier die Vermutung nahe, dass es einerseits preisliche Gründe sind, warum Uganda für den EU-Markt so wichtig ist. Andererseits sehen wir viel mehr Bio-zertifizierte Kooperativen in Uganda. Deswegen: Bio-zertifizierter Robusta in Deutschland stammt zu den größten Teilen aus Uganda.

Massenware vs. Spezialitäten

Die Importdaten zeigen ebenfalls: Länder wie Äthiopien, Guatemala, Mexiko oder Costa Rica exportieren auch in die EU. Allerdings in deutlich kleineren Mengen, und das oft für den Spezialitätenmarkt.

Was macht den Kaffee aus diesen Ländern aus?

Äthiopien

  • ist berühmt für florale und fruchtige Kaffees. In Äthiopien werden die Kaffees nach Grades unterteilt, wobei Grade 1 Kaffees die höchste Qualität darstellen
  • für den Massenmarkt werden oft Grade 3 und Grade 4 Kaffees benutzt, welche weniger uniform und sauber sind, aber immer noch die ursprüngliche Charakteristik des Geschmacks beibehalten
  • oft reichen wenige Prozent in einem Blend, dass der Kaffee vor allem im Aroma anders riecht und so aus der Menge heraussticht

Peru, Honduras, Mexiko

  • gehören zu den führenden Exporteuern von doppel-zertifiziertem (Bio und Fairtrade) Kaffee. Es sind in der Regel gewaschene, zitrische Kaffees, und werden oft substituiert

Doch: wo bleibt Kolumbien, als drittgrösste Kaffeeproduzentin?

Die Schweiz im Vergleich

Die Grafik der Swiss Sustainable Coffee Platform zeigt: Auch in der Schweiz stammt der meiste Kaffee aus Brasilien, aber die Struktur ist deutlich vielfältiger. Und: Es wird viel weniger Robusta importiert.

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Kolumbien ist auf Rang zwei. Wir vermuten, dass Nespresso, eine der top drei Röstereien der Welt, hierfür verantwortlich ist. Seit der Einführung von Nespresso 1986, sind nach unseren eigenen Recherchen 120 - 150 Kapselsorten mit Kaffees aus Kolumbien gefüllt worden.

Kaffee aus Kolumbien sind sehr divers, können floral, fruchtig, schokoladig, leicht und schwer sein, und bieten gerade für ein diverses Sortiment eine große Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten.

Vietnam folgt auf Rang drei, wird aber dicht gefolgt von Indien mit 7%. Hier vermuten wir, dass vor allem gewaschener Robusta importiert wird, der gegenüber dem trocken aufbereiteten Robusta aus Vietnam in aller Regel weicher ist.

Costa Rica und Guatemala tauchen ebenfalls früher auf. Es sind Kaffees, die nicht nur teurer sind, sondern für viele Röstereien eine spezielle Geschichte mit sich bringen. 

Vor allem Costa Rica ist zudem ein beliebtes Reiseland für Schweizer Touristen - gut möglich, dass sich hier Vorstellung, Fernweh und Konsumverhalten treffen.

Warum die Herkunftsangabe wichtig ist

In den allerwenigsten Fällen, und das zieht sich über alle Staaten Europas hinweg, wird die genaue Herkunft kommuniziert. Wir sehen nun öfters, dass es eine “regionale” Einschränkung gibt, zum Beispiel: Kaffees aus Zentral- und Südamerika.

Beim Wein würde niemand akzeptieren, dass auf dem Etikett nur „aus Europa“ steht.

Beim Kaffee scheint das in Ordnung zu sein. 

Aber gerade dadurch entziehen sich Röstereien einer transparenten Kommunikation, denn:

  • Keine Herkunft = keine Rechenschaft
  • Keine Story = kein Bezug
  • Keine Transparenz = keine Kontrolle

Wer nicht sagt, woher der Kaffee kommt, lässt sich offen, jederzeit zu tauschen – ohne feste Verpflichtung zu Transparenz oder langfristigen Partnerschaften. Dabei bieten sich gerade hier grosse Chancen: wer die individuellen Geschichten erzählt, kann damit noch ein breiteres Publikum erreichen.

Tipps, wie ihr den Inhalt erahnen könnt

Wenn auf der Packung nichts steht, wissen wir also trotzdem in etwa, was drin ist.

Nicht im Detail, aber im Muster:

Dunkel geröstete, als “kräftig” kommunizierte Kaffees:

  • oft Kaffees aus Brasilien und Vietnam – effizient produziert, günstig beschafft, beliebig austauschbar.
  • die Kaffees haben wenig Säure, bieten ein nussiges Geschmacksprofil, und der Robusta gibt die klassische Espresso-Note

Mildere Kaffees

  • oft mit gewaschenen Kaffees aus Peru oder Honduras, weil die einerseits geschmacklich substituierbar sind, günstiger und eine zitrische Säure mitbringen, die vor allem für längere Kaffees attraktiv ist

Bio- und Fairtrade Kaffees

  • oft aus Peru, Honduras, Mexiko, Tanzania und Uganda
  • da sind die grössten doppel-zertifizierten Kaffeekooperativen

Wenn wir das wissen, können wir uns bewusster entscheiden. Und vielleicht den nächsten Kaffee lieber dort kaufen, wo Herkunft mehr ist als ein leeres Versprechen.


Annex: Rechtssituation

Rechtssituation in der Schweiz:

  • Es besteht keine generelle Pflicht, die genaue Herkunft der Kaffeebohnen (z.B. Land, Region) auf der Verpackung anzugeben. Die Angabe "100% Arabica" ist zulässig, solange sie korrekt ist und tatsächlich nur Arabica-Bohnen enthalten sind
  • Wird jedoch eine Herkunft deklariert (z.B. "aus Peru" oder "aus Südamerika"), muss diese Angabe korrekt und nicht irreführend sein. Falsche oder täuschende Angaben sind verboten und werden kontrolliert
  • Schweizer Herkunftsangaben ("Schweizer Kaffee") dürfen nur verwendet werden, wenn die Bohnen vollständig in der Schweiz verarbeitet wurden. Die Herkunft der Bohnen selbst muss aber nicht zwingend angegeben werden, sofern keine irreführende Schweiz-Assoziation entsteht
  • Für verarbeitete Lebensmittel (wie gerösteter Kaffee) ist es zulässig, statt eines Landes auch einen übergeordneten geografischen Raum (z.B. "Südamerika") anzugeben, sofern dies den Tatsachen entspricht
  • Die Sorte (z.B. Arabica, Robusta) muss nicht zwingend angegeben werden, außer sie wird beworben ("100% Arabica"), dann muss dies stimmen.

Rechtssituation in der EU

  • Auch in der EU gibt es keine allgemeine Pflicht, die genaue Herkunft der Kaffeebohnen auf der Verpackung zu deklarieren. Angaben wie "100% Arabica" sind zulässig, solange sie korrekt sind
  • Wird eine Herkunft freiwillig angegeben, muss diese wahrheitsgemäß und nicht irreführend sein
  • Seit 2020 muss die Herkunft der "primären Zutat" deklariert werden, wenn sie nicht mit der ausgelobten Herkunft des Produkts übereinstimmt. Beispiel: Wird ein Kaffee als "Made in Germany" verkauft, die Bohnen stammen aber aus Brasilien, muss die Herkunft der Bohnen angegeben werden. Bei reinem Kaffee ohne solche Auslobungen besteht diese Pflicht nicht.
  • Die neue EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verlangt von Importeuren und Händlern, dass sie die genaue Herkunft (bis auf die Plantage) nachweisen können, um Entwaldung auszuschließen. Diese Information muss aber nicht zwingend auf der Verpackung für Endkunden stehen

Quellen:


Philipp Schallberger
Philipp Schallberger
Philipp Schallberger ist Co-Geschäftsführer der Kaffeemacher. Er leitet die Rösterei und ist verantwortlich für den Rohkaffee-Einkauf und die Projekte im Kaffee-Ursprung. Er ist Q-Arabica Grader und jurierte während mehrere Jahren Barista-Weltmeisterschaften. Die Erfahrung aus Stiftungsarbeit für Kleinproduzenten und in der Forschung und Entwicklung einer grossen Rösterei gibt Philipp auch als Berater weiter. Er führt den Kaffeemacher Podcast Coffea, gründete den ersten Schweizer Bio-Haferdrink "Gutsch" mit und wenn er keinen Kaffee machen würde, dann wäre es wohl Wein.

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