SCA Punkte und die Auswirkungen für Kaffeegenossenschaften

SCA Punkte und die Auswirkungen für Kaffeegenossenschaften

Vor ein paar Wochen wurde ein Artikel über die inflationäre Verwendung des SCA-Scorings gepostet. Der Artikel war für mich insofern interessant, weil bis jetzt wenig über die Auswirkung dieses Punktesystems auf die Produzentenorganisationen berichtet wurde. Ich spreche seit einiger Zeit mit Vertretern von Kaffeekooperativen über das SCA-Punkte-System und sie beobachten seit Jahren eine für sie bedrohliche Entwicklung.

Gastbeitrag von Kleber Cruz, Rohkaffeeeinkäufer für Gepa. Kleber Cruz verfasst regelmäßig interessante Artikel mit vielen Einblicken aus der Arbeit in Kooperativen und Kaffee-Anbauländern wie Peru, Mexico, Honduras und Nicaragua. In Zukunft veröffentlichen wir Klebers Text auf kaffeemacher.ch, um die wichtigen Inhalte einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Vielen Dank für Deine Arbeit Kleber!

Investition der Kooperativen in Qualitätsverbesserung von Mitgliedern

Viele Kooperativen haben im Laufe der Jahre in die Verbesserung der Qualität des Kaffees ihrer Mitglieder investiert und dabei recht hohe Standards erreicht. Manuel Quiliche von der Koop COPICAFE in Peru erzählt mir was seine Kooperative alles investiert hat, um die Varietäten ständig zu verbessern. Dabei hat die Genossenschaft auch eine soziale Basis aufgebaut, die einfacher macht, bestimmte Vorhaben, wie die gemeinsame Vermarktung und Aufbereitung des Kaffees, durchzuführen. Das Gleiche höre ich aus Nicaragua, Jinotega, genauer gesagt, wenn ich mit Alvaro Rodriguez (Vertreter der Kaffeekooperative COASSAN) spreche: „Ende der 90er Jahre und mit der Preiskrise begann in Nicaragua ein Programm zur Identifizierung von Qualitätskaffee und dessen Differenzierung. Diese Arbeit wurde von Kooperativen angeführt und geleitet, damals war der Vorteil, dass sie bereits Produzenten organisiert hatten, dieser Umstand erleichterte sehr die Durchführung dieses Projekts“. Leonid Herrera von der Coop Jose Olaya in Peru kommentiert: „Die Kooperativen haben Jahr für Jahr die neuen Techniken des Öko-Anbaus eingeführt, den Produzenten viel Erleichterung für diesen Umstellung angeboten, wie Zugang zu Krediten, Vorschüsse für die Ernte, Transport ihrer Produkte, Bereitstellung von Biodünger, oder die Erneuerung der Kaffeepflanzen, aber vor allem Weiterbildungsseminare“. Durch diese Arbeit der Kooperativen konnten die Mitglieder der Organisationen die Qualität ihres Kaffees im Laufe der Jahre erheblich verbessern. Die Arbeit der Kooperativen war für viele Produzenten entscheidend, um ein gutes Qualitätsniveau zu erreichen. Aber wie immer erreicht dieser Prozess nicht alle Produzenten.

foto kleber

Importeure umgehen Kooperativen

Es gibt einige Importeure, die den Kaffee in der Vergangenheit direkt von den Kooperativen gekauft haben. Durch diese Beziehungen konnten sie mehr über die Arbeit auf dem Feld erfahren und den gesamten Produktionsprozess besser verstehen und die Anbauzonen von gutem Kaffee identifizieren. Seit einiger Zeit gibt es jedoch eine besorgniserregende Entwicklung für die Kooperativen: Die Importeure, die früher bei den Kooperativen kauften, gehen nun direkt zu den Erzeugern, die Dank der Arbeit der Kooperativen einen hohen Standard erreicht haben, und kaufen von ihnen Kaffees von hervorragender Qualität (86 + SCA oder mehr). Es ist Kaffee aus hohen Anbaugebieten. Für diesen Kaffee bezahlen Importeure Preise, die teilweise über 50% höher liegen als die Preise der Genossenschaften. Für die Kooperativen bleiben die Kaffees aus Tief – und mittleren Zonen, die gut sind, aber bei weitem nicht die Punktezahl von über 86 erreichen. Hugo Roblero, zuständig für den Export in seiner Organisation FEJCEM-Kooperative in Mexiko, erzählt mir ebenfalls: „Die Käufer in Mexiko kommen in die entlegensten Gemeinden und kaufen die besten Kaffees direkt von den Produzenten zu höheren Preisen, mit denen die Genossenschaft nicht konkurrieren kann. Diese Praxis destabilisiert uns, die Bauern sind mit uns unzufrieden und uns fehlen diese äußerst guten Kaffees, um bessere Preise zu erzielen.“

Q-Grader:innen auf Abwegen

Die Kooperativen beobachten aber noch ein anderes Problem: Zur Verbesserung der Vermarktungsstruktur einer Kooperative gehört auch die Weiterbildung ihres Personals u.a. der Q-Graderinnen und Q-Grader und die Ausstattung von Kaffeelaboren. In diesen Bereich haben die Kooperativen sehr viel investiert. Nun sind diese Q-Grader für die Kaffeequalität in den Genossenschaften verantwortlich. Einige von ihnen haben die Geschäftslücke entdeckt und spalten die Kooperativen. D.h. diese Q-Grader identifizierten die Bauern, die gute Kaffees haben und mit der Kooperativen unzufrieden sind, kündigen bei den Genossenschaften, organisieren diese Bauern in parallelen Firmen, verkaufen den hochwertigen Kaffee direkt an den Importeur oder in die Konsumentenländer und erzielen gute Preise.

Bei dieser Entwicklung liegt das Problem der Organisationen darin, dass sie jahrelang in die Verbesserung der kommerziellen Infrastruktur investiert und gute Qualitätsstandard erreicht haben. Nun sehen sie ihre Vermarktungsmöglichkeiten auf Grund dieser Praktiken dezimiert. Viele Kooperativen bezeichnen das als unfair.

Was hindert Kooperativen daran, selbst anders zu handeln?

Es stellt sich jedoch die berechtigte Frage, warum die Kooperativen nicht mit diesen Importeuren von Spezialitätenkaffees konkurrieren können. Ein Punkt ist sicherlich, dass sich Veränderungsprozesse bei Genossenschaften nur sehr langsam und mühsam vollziehen lassen. Marktanpassungen dauern bei Kooperativen etwas länger als bei anderer Unternehmensform, das ist meines Erachtens ein großes Problem, das die Kooperativen noch nicht richtig angepackt haben. Ein anderer Punkt ist ohne Zweifel, dass diese Organisationstrukturen teilweise für andere Ziele missbraucht werden.

Aber auch sind die aktuelle Marktbedingungen für die Kaffeekooperativen ungünstig: Die Preise, die für Spezialitätenkaffees oder Microlote bezahlt werden, sind vom Börsenpreis abgekoppelt, während die Kaffeekooperativen von dem Preis der NY-Börse abhängig sind. Leonid erzählt mir: „Der Markt hilft nicht, der Preis für Kaffee, der an der New Yorker Börse notiert wird, ist viel niedriger als die Kosten der Produktion.“ Die Kosten für Betriebsmittel oder Werkzeuge sind teuer geworden, die Preise für die Ausrüstung und Infrastruktur zur Bioumstellung steigen ständig. Unter diesen Bedingungen reicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kooperativen nicht aus, um es mit den Importeuren/Käufern von Spezialitäten oder Microlotes aufnehmen zu können.

Jeder Kaffee braucht einen Markt

Auf der anderen Seite ist der Markt für Spezialitätenkaffees in den Konsumentenländern noch so klein, dass er mit der inflationären Entwicklung in den Erzeugerländern weltweit nicht mithalten kann. Es werden Kaffees als Spezialitäten oder Microlotes angeboten, die eigentlich keine sind. Tatsächlich verfügen die Kooperativen über ein breites Kaffeeangebot, in sämtlichen Qualitäten. Sie müssen versuchen, alles zu verkaufen, d.h. das ganze Sortiment. Aus diesen Verkäufen errechnen sie in der Regel einen Durchschnittpreis, den sie den Produzenten abzüglich Kosten weitergeben. Dieses Modell bewirkt, dass Bauern, die einen Spitzenqualität abgegeben haben, weniger bekommen als von den Spezialitätenkäufern. Die Bauern, die eine niedrige Qualität abgeliefert haben, können durch diese Preispolitik ein besseres Einkommen erzielen. Andere Organisationen versuchen anderen Preismodelle einzuführen, aber Preismodelle der Coops versuchen einen Ausgleich zwischen den Produzenten hinzubekommen. Dieses Modell hat sich während der Quarantäne, aufgrund von COVID 19 bewährt: Ohne die Genossenschaften wäre die Situation in den ländlichen Gebieten dramatischer als sie es ohnehin ist.

Perspektive: Kaffee-Qualität bei „Tieflandkaffees“ verbessern

Es scheint jedoch, dass die Produzenten von guten Kaffees, seit einiger Zeit nicht mehr bereit sind, dieses Modell zu akzeptieren und setzen die Genossenschaften unter Druck, die Kooperative kann aber keine Bauern ausschließen. Leonid erzählt mir: „Die Kooperativen können es sich nicht leisten, die Bauern zu diskriminieren, aber wir verlangen von ihnen, dass sie sich weiterbilden müssen. Sie sollen ihr Handwerk ständig verbessern, ihre Investitionen so gestalten, dass am Ende die Familie profitiert, sie sollen nicht auf den Anbau illegaler Produkte wie Coca umstellen.“

Ein Manager einer Kooperative im Norden Perus erzählt mir ebenfalls von seiner Sorge, dass seine Mitglieder beginnen, ihre besten Kaffees außerhalb der Genossenschaften zu verkaufen. Ihm zufolge ist es notwendig, die Qualität der Tieflandkaffees ständig zu verbessern. Aber dafür muss es auch einen Markt geben, der mit besseren Preisen hilft.

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