Die ECM-S Automatik 64 überzeugt uns mit gutem Espresso. Das ist zunächst die gute und wichtigste Nachricht. Leider lässt sie auf dem Weg dahin einiges an Potential liegen. In unserem ausführlichen Espressomühlen-Test haben wir die ECM S-64 im Vergleich zu 23 anderen Espressomühlen untersucht. In diesem Artikel fassen wir die wichtigsten Ergebnisse unseres Testes.
Den Test haben wir wieder mit unserem Apas Espresso durchgeführt. Den gibt es hier in der Schweiz und hier in Deutschland.
Eine schmale, hohe und schöne Espressomühle glänzt uns beim ersten Auspacken entgegen. Und auf den ersten Blick gefällt uns fast alles an der ECM S-Automatik 64. Die Mühle kommt auf solide 6,9kg Gewicht, die auf perfekten Füßen stehen. Warum perfekt? Sie fange die Vibration der Mühle auf, geben leicht nach und sind doch standfest. Das führt auch dazu, dass die Mühle mit 77,9 Dezibel zu den leisesten im Testfeld zählt.
Der Hochglanz des polierten Edelstahls bleibt, wird aber im Laufe des Tests mit zahlreichen Fingerabdrücken garniert. Daran wird sich auch der Home Barista gewöhnen müssen. Ohne geht kaum, bei der Nutzung der ECM S-64. Eine Breite von 16cm, eine Tiefe von 250cm und eine Höhe von 41,5cm lassen die Espressomühle schlank und elegant erscheinen. Die S-64 drängt sich neben einer Espressomaschine nicht in den Vordergrund, sondern tritt zurück.
Die Mahlscheiben der ECM S-Automatik 64 haben ein Durchmesse von 64mm und bestehen aus gehärtetem Stahl. Das Scheibenmahlwerk lässt sich stufenlos verstellen. Die Verstellung gelingt gut und präzise - auch wenn es schwierig ist, den genauen Mahlgrad abzulesen. Kleine Änderungen des Mahlgrades führen bereits zu großen Änderungen der Körnung. Also immer langsam verstellen!
Die Programmierbarkeit der Mühle leidet etwas unter der alten, etwas fummeligen Steuerung. Diese springt immer wieder aus der Einstellung der beiden Programmiertasten, wenn nicht zügig gearbeitet wird. Hier setzt die ECM seit vielen Jahren auf eine ähnliche Technik die gut funktioniert und keine Fehler produziert, aber leicht die Bedienfreundlichkeit einschränkt. (Im Video gut zu sehen ab Minuten 20:30.)
Als Single Dosing Mühle kann die ECM S-Automatik 64 nicht überzeugen. Dafür wurde sie einfach nicht gebaut. Wichtigstes Gegenargument ist dabei der enorme Totraum. Mit 12,2 Gramm gemessenem Totraum, setzt die ECM S-64 ein negatives Ausrufezeichen. Zur Erinnerung: Totraum bedeutet, dass rund um die Mahlscheiben und vor der Mahlgutausgabe bereits gemahlener Kaffee sitzt, der nicht mit der aktuellen Mahlung ausgeworfen wird. Stattdessen bleibt das Mahlgut hängen und wird erst bei der nächsten Mahlung von dem von hinten nachdrückenden Mahlgut heraus geschoben.
Die ECM S-64 funktioniert hier eher wie eine Dosiermühle mit Vorratshaltung und nicht wie eine Direktmahl-Mühle. Bis zu 12 Gramm Kaffee des aktuellen Espressos werden mit "altem" Kaffee zubereitet, wenn die Mahlkammer nicht vor dem Bezug ausgemahlen wird. Das ist natürlich nicht nötig, wenn mehrere Bezüge hintereinander getätigt werden. Gerade Zuhause ist das oft nicht der Fall und so sind 12 Gramm guter Kaffee entweder verloren oder werden als alter Kaffee Teil des frischen Espresso. Und zur Erinnerung: innerhalb von weniger als einer Stunde haben wir einen Verlust von über 50 % der volatilen Aroma-Komponenten nach der Mahlung.
Leider lässt sich bei der Mühle auch der Bohnenbehälter nicht leicht abnehmen und der Kaffee nicht gut wechseln. Unser Barista-Trainer Michel Aeschbacher konnte den Bohnenbehälter nur mit großer Kraftanstrengung entfernen. ECM signalisiert hier relativ deutlich: die Mühle ist eher nicht für den regelmäßigen Bohnentausch gedacht. Tatsächlich war das vor einigen Jahren, als die Mühle auf den Markt kam, auch weniger Thema. Allerdings müssen Bohnenbehälter auch regelmäßig gereinigt werden. Auch das macht doppelt wenig Freude, wenn das Entnehmen so ein Kraftakt ist.
Zwischen dem Schiebeschlitten der Mühle und den Mahlscheiben befinden sich nach dem Abnehmen des Bohnenbehälters noch 23 Gramm. Wer also doch einmal die Bohnen wechseln möchte, muss zunächst noch diesen Kaffee entfernen, bevor er zum neuen Kaffee kommt.
Wir haben einige exzellente Espressi getrunken, die mit der ECM S-Automatik 64 gemahlen wurden. Überrascht hat uns das sensorische Profil. Viele Kaffees haben sehr komplex geschmeckt, hatte eine elegante Säure und eine weiche Textur.
Leider war es nicht einfach, den Mahlgrad einfach zu replizieren, da an der Mühle eine eindeutige Skalierung fehlt bzw. die Ziffern zu ungenau den gleichen Mahlgrad anzeigen. Die folgende Kurve zeigt die Abweichung zwischen zwei Mahlungen. Bei der grauen Kurve hatten wir die Mühle perfekt eingestellt. Anschließend haben wir die Mühle auf Ristretto und dann auf Café crème gestellt. Trotz einer genauen Markierung, ist es uns nicht gelungen die Mühle wieder präzise auf das Ausgangsrezept einzustellen. Das ist zunächst nicht gravierend, führt aber dazu, dass der Kaffee jeweils neu eingestellte werden muss. Das notieren von Rezepten und flexible Wechseln zwischen Rezepten wird so schwierig.
Die Konstanz der ECM S-Automatik 64 über mehrere Bezüge weist eine größere Schwankungen auf. Unsere eingestellte Zielgröße war 18 Gramm, doch hatten wir über zehn Bezüge Werte zwischen 16,9 und 19,1 Gramm. Das ist viel! So macht verlässliches Mahlen keine Freude. Espresso-Trinker:innen mit Anspruch ist zu raten, die Kaffeepulvermenge vor dem Bezug nachzuwiegen.
Zehn Bezüge mit der ECM S-Automatik 64.
18,5 | 16,9 | 18,3 | 17,6 | 19,1 | 17,6 | 17,8 | 19 | 17,3 | 19,5 |
Bei allen Herausforderungen bleibt festzuhalten, dass es die ECM S-Automatik 64 auf eine interessante Partikelverteilungskurve bringt. Sie weist - auch im Verhältnis zu anderen Mühlen - einen relativ geringen Fein-Anteil auf und hat ein solides Hauptpeak auf. Tatsächlich reguliert die Mühle im Bereich zwischen Espresso und Ristretto den Mahlgrad vor allem über die Fines und bleibt im Hauptpeak recht konstant.
Die hier gezeigte Partikelverteilungskurven stellen unsere Messungen 4 - 7 da. 4 in grau ist das nachjustierte Espresso-Rezept. T5 grün ist die Einstellung eines 1:1 Ristretto bei 25 Sekunden Auslaufzeit. T6 in blau stellt die Einstellung eines Café crèmes da. T7 ist das zurück gestellte Espresso-Rezept.
Fazit zur ECM S-Automatik 64 Espressomühle
Die ECM S-Automatik 64 lässt uns mit einem hin und her gerissenen Gefühl und Eindruck zurück. Während wir sie bei der Espresso-Qualität als gut einstufen, die geringe Lautstärke im Vergleich zu anderen Mühlen angenehmen ist und auch die Bedienung insgesamt einen soliden Eindruck hinterlässt, frustrieren andere Faktoren. Der große Totraum ist ein echtes Gegenargument. Auch die die Konstanz zu wünschen übrig und führt, wie die Fixierung des Bohnenbehälters, zu Frustration.
Fest steht aber: wer mit seiner ECM zu leben lernt, die Schwächen kennt und damit umgeht, hat eine für die Espresso-Qualität gute Espressomühle zuhause und darauf kommt es schließlich an!
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
5 Kommentare
eigentlich dann gut und leicht bewegen lässt.
Ich bin eigentlich ganz froh, gerade als Anfänger, diese Hoppermühle zu nutzen da sie nicht zu schnell mahlt und ich (bei der Manuale) mit der linken Hand den verlängerten Auslöser (ein schlankes Metallband)
am Boden der Mühle drücke, direkt über dem Kontaktknopf. Mit der rechten Hand habe ich alle Freiheiten, den Siebtträger in Höhe und Ausrichtung zum Auswurfschacht
zu bewegen. Damit habe ich es quasi von Beginn an geschafft, erstaunlich Gramm genaue Häufchen im Siebträger zu platzieren.
Denn: mir kommt es ja auf die Mahlqualität der 64 mm Scheiben an,
ich will ja als "Barista" für den Workflow auch noch was beisteuern (in dem Fall: leise vor mich hinzählen - und irgendwann einmal selbst das nicht mehr müssen, weil intuitiv geworden ;-)
Morgens werde ich den Totraum in mein C40 Braunglas ausmahlen und mit Ausmahlungspulver zusammen nach Verstellungen mal versuchen, mit der Aeropress etwas trinkbares / für's Müsli verwertbares hinzubekommen.
Mit meiner ECM Technika V Profi PID
daneben bin ich eh gerade im siebten Espressohimmel - für mich ist gerade alles rosarot :-)))
Eigentlich war ich kurz davor mir diese ECM Muehle zu kaufen ( leise kaum Plastik Ersatzteile Optik), der Totraum jedoch von >12g war dann das Killerargument gegen diese Maschine ( volle Uebereinstimmung mit Michel ), zumal ich meist vorher abwiege und mir eh die ECM manuale gekauft haette.
Die fuer mich geeignetste waere sicherlich wohl die Niche zero, doch wie komme ich an diese, und vorallem, was mache ich im Garantiefall?
Ich werde weiterhin entspannt eure hochwertigen Tests verfolgen.
Gruesse
Fred
erstmal vielen herzlichen Dank für eure ausführlichen Tests.
Als eigentlich zufriedener Nutzer dieser Mühle habe ich eine interessante Frage zum Thema Totraum auspusten an euch.
Und zwar ist diese Mühle dafür geeignet den Totraum mittels Bellow (Gummischeibenbalg) à la Ceado ExxSD frei zu pusten oder ist die Menge an Kaffee die ihr gemessen habt schlichtweg viel zu viel dafür?
Beste Grüße in die Schweiz.
Was denkst du?