Die La Marzocco GS3 AV gilt für viele als eine der besten Espressomaschinen für Zuhause – und als “die GS3”, wie sie in Fachkreisen liebevoll genannt wird. Auch wir als Tester waren gespannt: Michel hatte viele Jahre ein GS3-Modell bei sich in der Küche stehen, und ich nutze eine GS3 AV für Kaffee-Caterings auf unserem Kaffee-Velo. Wir haben die Maschine also sowohl im heimischen Alltag als auch unter harten Echtbedingungen auf Events ausprobiert. Schon vorab: In vielerlei Hinsicht bestätigt die GS3 ihren legendären Ruf, doch überzeugen kann sie nicht auf ganzer Linie. Im folgenden Erfahrungsbericht durchleuchten wir Stärken und Schwächen der GS3 AV und schauen genau hin, für wen diese Maschine wirklich geeignet ist.
Folgende Fachgeschäfte vertreiben die La Marzocco GS/3 AV und wir können den Kauf einer Maschine bei diesen Betrieben empfehlen. Sie alle bieten an, dass Offset der Maschine nachzustellen.
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Die Verarbeitung der GS3 AV lässt kaum Wünsche offen. La Marzocco hat bei der Konstruktion konsequent auf professionelle Komponenten gesetzt – genau jene Bauteile, die auch in ihren Gastro-Maschinen wie der GB5 oder Strada verbaut werden. Kompromisse? Fehlanzeige. Das Ergebnis ist eine eingruppige Espressomaschine, die sich eher wie ein ausgewachsener Gastro-Bolide anfühlt. Der Rahmen und das Chassis sind überwiegend aus massivem Edelstahl gefertigt, was man nicht nur sieht, sondern auch spürt: Rund 33 kg bringt die GS3 auf die Waage – da merkt man direkt, dass Qualität manchmal eben Gewicht bedeutet.
Innen arbeitet die Technik eines Profis: zwei großzügig dimensionierte Edelstahl-Boiler (Brühkessel 1,5 Liter, Dampfkessel 3,5 Liter) sowie eine gesättigte Brühgruppe für optimale Temperaturstabilität. Diese Dualboiler-Konfiguration stammt direkt aus der großen Schwester Strada und sorgt für konstante Temperaturen und Dampfpower im Überfluss. Das Gehäuse wirkt robust und langlebig. Ein kleiner Wermutstropfen bei der Wertigkeit sind allenfalls die seitlichen Paneele: Im Standard sind diese aus schwarzem Kunststoff gefertigt. Angesichts des Preises hätten wir uns hier Vollmetall gewünscht – wobei La Marzocco optional sogar schicke Glasseiten oder Holzpaneele anbietet. Sei’s drum: An der grundsätzlichen Wertigkeit der GS3 gibt es kaum zu rütteln. Alles fühlt sich solide und hochwertig an, von den geschmeidigen Ventilen bis zur dicken Edelstahl-Abtropfschale mit Kunststoff-Inlay. Diese Maschine ist ganz offensichtlich dafür gebaut, Jahrzehnte zu überdauern und dabei tausende Espressi zu produzieren.
Seitenansicht der La Marzocco GS3 AV.
Die Bedienbarkeit der GS3 AV ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bietet sie dem erfahrenen Barista zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten: Über das digitale Display lassen sich Brühtemperatur (PID-gesteuert) und Bezugsvolumen bequem konfigurieren, und ein Shot-Timer hilft bei der Extraktionskontrolle. Die AV-Variante (Auto-Volumetrik) erlaubt es, die gewünschte Wassermenge pro Shot exakt zu programmieren – anschließend liefert ein Tastendruck immer reproduzierbar dieselbe Espresso-Menge. Diese volumetrische Dosissteuerung ist Gold wert, wenn man parallel Milch aufschäumt oder mehrere Getränke in Folge zubereitet. Im hektischen Catering-Betrieb haben wir es genossen, uns dank der Automatik kurz anderen Dingen widmen zu können, während die GS3 den Bezug selbstständig stoppt.
Andererseits merkt man der GS3 an, dass ihr Konzept aus den 2000er-Jahren stammt. Die Menüführung am kleinen Display ist funktional, aber etwas altmodisch. Wer moderne Touchscreens gewohnt ist, wird hier erst einmal durch verschachtelte Menüs scrollen – intuitiv ist anders. Dafür reagiert die Maschine prompt auf Eingaben und Änderungen, und dank PID lässt sich die Temperatur in feinen Schritten verstellen. Neu hinzugekommen (und von uns natürlich ausprobiert) ist die IoT-Steuerung via La-Marzocco-App. Per WLAN und Smartphone kann man die GS3 jetzt fernbedienen – zum Beispiel Timer fürs Ein- und Ausschalten programmieren. Das haben wir direkt genutzt: Frühmorgens vom Bett aus die Maschine einschalten zu können, ist ein Luxus, den man schnell schätzen lernt. So ist die GS3 vorgeheizt, wenn man verschlafen in die Küche schlurft – und man spart sich die Wartezeit. Auch Temperatureinstellungen oder Bezugsparameter lassen sich über die App komfortabel ändern. Allerdings muss man klar sagen: Dieses neue IoT-Gadget verbessert die Bedienbarkeit nur leicht und verändert das Grundkonzept der Maschine nicht wesentlich. Die GS3 bleibt trotz App keine Hightech-Spielerei, sondern ein Arbeitsgerät. Wer vorher mit der Menü-Navigation zurechtkam, freut sich über die App als nettes Add-on; wer die Maschine jedoch grundsätzlich als etwas träge in der Handhabung empfindet, wird durch IoT auch nicht zum Fanboy bekehrt. Immerhin: Das Programmieren und Vorheizen per App federt einen der größten Kritikpunkte etwas ab – die lange Aufheizzeit.
Kommen wir nämlich zu den handfesten Nachteilen der GS3 AV: Energiehunger und Aufheizdauer. Hier zeigt das Profi-Erbe der Maschine seine Kehrseite. Unsere GS3 benötigte im Test rund 30 Minuten, um vollständig auf Temperatur zu kommen (Brühgruppe, beide Boiler, Gehäuse aufgeheizt). La Marzocco wirbt zwar offiziell mit ca. 15 Minuten Aufheizzeit, aber diese Angabe ist wohl sehr optimistisch – vielleicht ist damit die Zeit bis zum Erreichen der Kessel-Solltemperatur gemeint. In der Praxis dauert es etwa doppelt so lange, bis sich die Temperatur in der gesättigten Brühgruppe stabilisiert hat und die Maschine wirklich shot-ready ist. Eine halbe Stunde Warmlaufen ist im Home-Barista-Alltag eine kleine Ewigkeit, zumal viele modernere Maschinen (z.B. Dickfilmheizer oder leichtere Dualboiler) deutlich schneller startklar sind. Hier zahlt man den Preis für die massiven Metallkomponenten und die großen Boiler. Wer morgens spontan einen Espresso möchte, muss vorausplanen – oder die GS3 eben dauerhaft laufen lassen.
Letzteres ist allerdings auch kein idealer Rat, denn die GS3 AV hatte im Test den höchsten Stromverbrauch aller bisher getesteten eingruppigen Espressomaschinen. Für das Aufheizen und Beziehen von 5 Doppel-Shots 0,6 kWh, was ungefähr dem Sechsfachen einer kleineren Thermoblock-Maschine wie der Ascaso Steel Duo PID entspricht. Selbst im Leerlauf zieht sie kontinuierlich Strom, um die 1,5 Liter Brühwasser und 3,5 Liter Dampfwasser heiß zu halten. Die GS3 ist damit eine wahre Vielbezieherin am Stromzähler – sie nimmt sich, was sie braucht, ohne auf die Stromrechnung zu schielen. Immerhin gibt es einen programmierbaren Eco-Modus bzw. Half Power-Modus, der beispielsweise nur einen Boiler beheizt oder die Leistung drosselt. Im Alltag hilft aber auch das nur begrenzt: Entweder man akzeptiert den erhöhten Verbrauch, oder man schaltet die Maschine nach Nutzung konsequent ab und nutzt Timer/IoT, um sie rechtzeitig vorzuheizen. Wir haben uns an einen Mittelweg gehalten – planen und vorheizen – denn die GS3 den ganzen Tag durchlaufen zu lassen, wäre bei heutigen Strompreisen ein teures Vergnügen. In unserer Wertung schlägt sich dieser Durst entsprechend nieder: Aufheizzeit und Stromverbrauch gehören zu den Schwachpunkten (30 Minuten ~ 3,5/10; sehr hoher Verbrauch ~ 2/10 Punkten).
Grafik von 2021
Widmen wir uns erfreulicheren Aspekten: der Temperaturstabilität und dem Espressopotenzial der GS3. Dank ihres gesättigten Brühgruppen-Designs und der PID-Steuerung hält die GS3 die Brühtemperatur beeindruckend konstant – vor allem über viele Bezüge hinweg. In unserem Härtetest haben wir 30 Espressi im Minutentakt bezogen. Das Resultat: keine nennenswerten Leistungsschwankungen, die Temperatur stieg über alle Bezüge hinweg um maximal 1 °C. Der 1,5-Liter-Brühboiler geht selbst bei Dauerbeschuss nicht in die Knie. Kurz gesagt: Die GS3 ist ein Arbeitstier, das auch im Dauereinsatz eine nahezu gleichbleibende Temperatur liefert. In quantitativen Messungen nach WBC-Protokoll lag die Temperaturschwankung bei winzigen 0,61 °C, nach unserem KM-Protokoll bei ebenfalls hervorragenden 0,84 °C direkt nach dem Aufheizen. Das sind Werte, die wir als „sehr gut“ einstufen. Damit spielt die GS3 in Sachen Temperaturkonstanz in der obersten Liga der Espressomaschinen.
Aber, und hier kommt der kritische Barista-Blick: Innerhalb eines einzelnen Bezugs zeigt die GS3 eine leichte Tendenz zu temperaturbedingtem „Drift“. Wir konnten nachvollziehen, was wir schon früher gehört hatten – während eines Espressobezugs steigt die Wassertemperatur in der Extraktion leicht an, um bis zu etwa 1°C vom ersten zum letzten Tropfen. Nun muss man fair sein: 1–1,5 °C sind im Alltag kein Drama – die meisten Kaffeetrinker werden davon nichts merken. Wir erwähnen es für die Perfektionisten und Technik-Nerds, die jeden Aspekt im Griff haben wollen. Unterm Strich bleibt: Für aufeinanderfolgende Bezüge ist die GS3 unschlagbar stabil; nur wer jeden Shot einzeln wissenschaftlich seziert, entdeckt diese minimale Steigerung.
In der Espressotasse liefert die GS3 AV folglich das, was man von einer Maschine dieser Klasse erwartet: hervorragend extrahierte Shots mit reichem Aroma und fein nuancierten Geschmacksprofilen. Die Kombination aus konstanter Brühtemperatur, sattem 9-Bar-Druck der internen Rotationspumpe und volumetrischer Präzision sorgt für reproduzierbare Ergebnisse auf Café-Niveau.
Jeder Espresso, den wir mit der GS3 zubereitet haben, war mindestens sehr gut, viele exzellent. Crema, Textur, Süße – alles da, sofern Bohne und Mühle mitspielen.
Warum also nur 9/15 Punkten im Espressopotenzial? Nun, die letzten Punkte zur absoluten Espresso-Perfektion holt sich die GS3 AV nicht, weil es eben doch noch Maschinen gibt, die über zusätzliche Finessen verfügen. Ein Beispiel: die GS3 MP (Manual Paddle) oder andere High-End-Geräte mit Pressure-Profiling bieten die Möglichkeit, den Druckverlauf und die Preinfusion manuell zu steuern. Damit lassen sich aus einigen Kaffees noch ein paar Extraktions-Prozente mehr herauskitzeln, was bei der rein volumetrisch arbeitenden GS3 AV mit glattem 9-Bar Profil so nicht geht. Außerdem bleibt die erwähnte leichte Temperatursteigerung im Bezug ein minimaler Schönheitsfehler. Versteht uns nicht falsch – die GS3 AV macht grandiosen Espresso, und der limitierende Faktor ist in 99% der Fälle der Mensch am Siebträger, nicht die Maschine. Aber für die vollen 15 Punkte fehlt ihr im Vergleich zu den wirklich kompromisslosen „Espresso-Laboren“ eben noch der allerletzte Feinschliff. Die GS 3 AV ist für den konstanten Bezug mit einem 9 Bar Profil das Maß fast aller Dinge. In der Flexibilität kann sie damit aber nicht mit Profil-gesteuerten Maschinen mithalten.
Wenn es um Milchaufschäumen geht, zeigt die GS3 AV, was sie mit ihrem riesigen Dampfkessel anstellen kann. Ganze 3,5 Liter fasst der Dampfboiler – ein Wert, den keine andere Einkreiser-Maschine erreicht. In der Praxis bedeutet das: Dampf ohne Ende, und zwar kräftig und trocken. Die GS3 bläst den Dampf so kraftvoll durch die vierlochige Dampfdüse, dass es eine Freude ist. Wir waren regelrecht erstaunt, wie schnell selbst größere 0,6er Kännchen Milch auf Temperatur und in feinste Mikrofoam-Textur gebracht werden, nämlich in 19 Sekunden. Ein 300-ml-Milchkännchen aufschäumen? Die GS3 erledigt das in wenigen Sekunden, und es wäre wohl noch Luft nach oben. Diese Dampfpower ist absolut “auf gastro-Niveau” – große Mengen Milch hintereinander wegzuschäumen ist für diese Maschine ein Klacks. Im Home-Betrieb muss man eher aufpassen: Wer von einer kleineren Maschine kommt, wird von der Wucht des Dampfes überrascht. Hier heißt es üben oder Druck runter nehmen, um nicht aus Versehen die Milch zu heiß oder zu schaumig zu kriegen, weil die GS3 gnadenlos effizient arbeitet. Hat man den Dreh raus, zaubert die GS3 traumhaften Milchschaum in Barista-Qualität: samtig, feinporig und schön glänzend, perfekt für Latte Art.
Ein netter Bonus ist die hochwertige Verarbeitung der Dampflanze selbst. Sie besteht aus Edelstahl, ist voll beweglich (360° schwenkbar) und als „No-Burn“-Lanze isoliert. Das bedeutet, man kann sie auch nach dem Dampfbezug gefahrlos anfassen, ohne sich die Finger zu verbrennen – ein Segen für Schusselige wie mich, die beim Aufschäumen gerne mal die Maschine putzen und dabei unachtsam an die Lanze kommen. Selbstverständlich verfügt die GS3 auch über einen Heißwasserauslass, der über ein Mischventil heißes Kesselwasser mit etwas Frischwasser mischt. So erhält man z.B. für Tee oder Americano etwas kühlere 90 °C, statt kochendes Wasser, was in der Praxis sehr gut funktioniert. Solche Details zeigen, dass die GS3 mitdenkt und dem Benutzer Komfort bieten will.
In Summe vergeben wir 8/10 Punkten für die Schäumqualität. Die Leistung der Dampfeinheit ist einzigartig. Warum also keine 10/10? Weil wir 2025 in einer Zeit von automatischen Dampflanzen angekommen sind, die mit Temperatursonden in der Spitze selbständig sehr gute Milchschaumqualität servieren. Sie sind weniger Kraftvoll und gehen in der Regel auch in die Knie, aber für Zuhause ist das dennoch für viele Home Barista ein spannende zusätzliche Option. Die Kraft- und Power des Dampfbezugs der GS3 AV bewerten wir zusätzlich in der Kategorie Gastro-, Volumen-, und Catering-Perfomance.
Jetzt kommen wir zum Kernthema der GS3 AV: ihrem Einsatzgebiet. Schon im Titel haben wir angedeutet, dass diese Maschine ihre größten Stärken außerhalb der üblichen Home-Barista-Routine ausspielt. Die GS3 ist ursprünglich nicht als klassische Haushaltsmaschine konzipiert worden, sondern als kompakte Gastro- oder Catering-Maschine. Alle Komponenten, Volumina und Leistungsdaten sind darauf ausgelegt, viele Espressi hintereinander in gleichbleibender Qualität zu produzieren. Und genau das tut sie – beinahe unbeirrt. Unsere eigene GS3, die wir für Events im Einsatz haben, ist das beste Beispiel: Seit fast 8 Jahren schicken wir sie auf Messen, Hochzeiten und Straßenfeste. Dort muss sie an einem Tag problemlos 300–400 Espressi ziehen – und sie tut es immer noch so zuverlässig wie am ersten Tag. Das ist ein dickes Brett, und die Maschine zeigt dennoch keine wesentlichen Alterserscheinungen. Weder haben wir auffällige Performance-Einbußen bemerkt, noch großartige Reparaturen durchführen müssen. Und falls doch mal eine Komponente den Geist aufgibt, kann sie dank modularer Bauweise schnell ersetzt werden – die GS3 ist gemacht, um ewig zu laufen.
Dieses Volumen- und Catering-Potential honorieren wir mit 10/10 Punkten. In der Praxis heißt das: Für den kleinen Coffee Truck, die Kaffeebar auf dem Wochenmarkt oder als Zweitmaschine in einer kleinen Rösterei ist die GS3 ideal. Sie lässt sich mit Festwasser betreiben (oder über den internen 2,5 L Tank, wenn nötig) und dank Rotationspumpe auch an den Abfluss anschließen – im Dauerbetrieb eine echte Erleichterung, damit man sich nicht um Wassertank und Abtropfschale kümmern muss. Die Temperatur bleibt über Dutzende Bezüge stabil, der Dampfvorrat scheint unerschöpflich. Wir können mit einer GS3 so viele Getränke in kurzer Zeit zubereiten, dass eher uns die Puste ausgeht als der Maschine. In unserem Kaffee-Mobil hat sie so manch einem erstaunten Gast gezeigt, was eine einzige Brühgruppe leisten kann, wenn sie von La Marzocco stammt.
All diese Lobeshymnen haben jedoch einen entscheidenden Haken: Zuhause werden die wenigsten dieses Potential je benötigen. Im Home-Barista-Kontext ist die GS3 AV schlicht und einfach überdimensioniert. Wer morgens zwei Espressi und am Nachmittag vielleicht einen Cappuccino macht, der kratzt nur an der Oberfläche dessen, wofür diese Maschine gebaut wurde. Die größte Schwäche der GS3 liegt somit eigentlich in einer Fehlallokation: Sie kann unglaublich viel – mehr als ein Heimnutzer je braucht – und muss dafür Kompromisse in Kauf nehmen (Stromverbrauch, Aufheizzeit, Preis). Man zahlt einen hohen Preis für Fähigkeiten, die man im Alltag kaum abruft. Genau deswegen lautet unser Fazit auch differenziert: Für ambitionierte Home-Baristas mit großem Budget und professionellem Anspruch kann die GS3 AV natürlich ein Traum sein. Es macht ja auch Spaß, ein solches Präzisionswerkzeug zu bedienen, und man spürt bei jedem Shot die Reserve und Stabilität, die in der Maschine schlummert. Aber rein rational betrachtet ist sie für den reinen Heimgebrauch oft „too much“.
Einen kurzen Blick noch auf das Thema Zubehör: Hier zeigt sich La Marzocco leider knauserig – und das fließt in unsere Wertung mit ein (3/10 Punkte). Angesichts des Kaufpreises von ab 6900 Franken bzw. 7600 Euro für die GS3 AV hätten wir ein etwas umfangreicheres oder hochwertigeres Zubehörpaket erwartet. Im Karton findet sich nur das Nötigste: ein doppel- und ein einfach Auslauf-Portafilter, vier Siebträgereinsätze (7 g, 14 g, 17 g, 21 g), ein Blindsieb zum Rückspülen, ein einfacher Tamper aus Edelstahl, Reinigungspulver, ein Wasserhärte-Testkit und ein Festwasser-Anschlusskit. Versteht uns nicht falsch – das ist solide und lässt keine essentielle Komponente vermissen. Aber „Premium“ fühlt sich anders an. Beispielsweise sucht man einen bodenlosen Portafilter vergeblich, den andere Hersteller in dieser Preisklasse oft beilegen. Auch der mitgelieferte Tamper ist zwar aus Metall, aber eher simpel und kein Vergleich zu den edlen Präzisionstampern, die viele Home-Baristi heutzutage nutzen. Keine Milchkanne, keine Abschlagbox, keine weiteren Gimmicks – hier hätte La Marzocco durchaus etwas spendabler sein dürfen, um dem Käufer ein rundum-sorglos Paket zu schnüren. So muss man eben doch noch ein paar Extras dazukaufen, um das Setup zu komplettieren.
Die La Marzocco GS3 AV ist ohne Frage eine Ausnahmemaschine. In unserem Test unter realen Bedingungen hat sie eindrucksvoll gezeigt, was in ihr steckt: erstklassige Espresso-Qualität, unglaubliche Performance über lange Bezugsserien, robuste Bauweise und Dampfleistung auf Profi-Niveau. Als Home-Barista fühlt man sich mit der GS3 fast wie ein kleiner Café-Besitzer – man kann, wenn man denn will, in kurzer Zeit eine ganze Gesellschaft mit Cappuccino versorgen, ohne dass die Maschine mit der Wimper zuckt. Diese Maschine vermittelt einem das wohlige Gefühl von unerschütterlicher Stabilität und Reserve. Dazu passt auch ihr charmantes Retro-Design mit modernen inneren Werten, das sicherlich so manche Küchenausstattung adelt (sofern das massive Gerät Platz findet).
Gleichzeitig muss man nüchtern feststellen, dass die GS3 AV im Heimgebrauch nur in ganz speziellen Fällen wirklich sinnvoll ist. Die größten Pluspunkte der Maschine – ihre Durchsatzstärke und Dauerbelastbarkeit – kommen im normalen Hausgebrauch kaum zum Tragen. Stattdessen hat man die genannten Nachteile zu managen: Man braucht Geduld beim Aufheizen, akzeptiert einen sehr hohen Stromverbrauch und investiert eine gewaltige Summe Geld. Unser Preis-Leistungs-Verhältnis im Home-Betrieb fällt dementsprechend drastisch aus: gerade 1,2/10 Punkte vergeben wir hier. Anders formuliert: Man zahlt hier vor allem für den Markennamen und die Profi-Reserven, weniger dafür, dass der eigene Espresso besser würde als mit einer halb so teuren Maschine. Wer rein auf die Espressoqualität für wenige Bezüge pro Tag schaut, wird mit deutlich günstigeren Geräten nahezu gleichauf liegen – schlicht weil die GS3 ihre Muskeln mangels Gelegenheiten nicht spielen lassen kann.
Dennoch gibt es eine Nische, in der die GS3 AV brilliert: Semi-professionelle Anwendungen. Für passionierte Hobby-Baristi, die regelmäßig größere Kaffeerunden versorgen (Stichwort: die ganze Familie und Nachbarschaft am Wochenende), oder für Gewerbetreibende mit begrenztem Platz (z.B. Feinkostläden, Bars oder mobile Kaffeestände) ist die GS3 eine fantastische Lösung. Sie vereint die Leistungsfähigkeit einer gewerblichen Espressomaschine mit der Größe und dem Handling einer Haushaltsmaschine. In diesem Kontext amortisiert sich die Investition auch deutlich eher – wir selbst haben erlebt, dass sich unsere GS3 durch Einnahmen auf Caterings innerhalb eines Jahres bezahlt gemacht hat. Und die Lebensdauer einer GS3 bemisst sich in Dekaden, nicht in Jahren.
Unser Tipp: Überlegt euch gut, welcher “Kaffee-Typ” ihr seid. Wenn euer Herz bei dem Gedanken höher schlägt, mit einer waschechten La Marzocco jede Facette der Espressozubereitung auszukosten, und wenn die erwähnten Schwächen für euch Nebenrollen spielen, dann werdet ihr mit der GS3 AV sehr glücklich werden. Sie verlangt einem zwar etwas ab (Strom, Platz, Geld und Engagement), aber sie gibt einem auch unglaublich viel zurück. Die tägliche Benutzung fühlt sich einfach professionell an – und das hat seinen ganz eigenen Reiz. Seid ihr dagegen primär an Ergebnis bei vertretbarem Aufwand interessiert und trinkt vielleicht nur ein paar Tassen am Tag, dann kann die GS3 sogar etwas frustrierend sein, weil ihr Potential brachliegt und sie im Alltag eher umständlich wirkt. In dem Fall ist man mit einer kleineren Dualboilermaschine oder einem guten Zweikreiser vermutlich besser beraten.
Keine Angst, wir spammen dich nicht zu.
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