Extraktion und Stärke von Kaffee

Extraktion und Stärke von Kaffee

Was wir von Kaffee extrahieren können, was wir extrahieren sollten und wie das die Stärke des Kaffeegetränkes beeinflusst.

„Etwas überextrahiert und bitter“ raunt der Barista und stellt die Espressomühle nach. Augenblicke später und wenige Mahlgrade gröber läuft der Kaffee rund und die Extraktion passt genau. Das Ergebnis ist eine perfekte Tasse die alles mitbringt was in der Kaffeebohne an geschmacklichem Potential schlummert. Ein Potential, das von Kaffeeproduzenten im Anbauland sowie verarbeitenden Röstern angelegt wird.

Kaffee brühen ist nichts anderes als dieses Potential abzurufen bzw. löslich zu machen. „Löslich“ machen ist das entscheidende Stichwort. Durch das Mahlen wird die Zellstruktur der Kaffeebohnen gebrochen, die Oberfläche des Kaffees vergrössert und so für Wasser zugänglich. Die Feststoffe werden gasförmig und flüssig und bilden als Geschmackskomponenten das was wir im Kaffeegetränk sensorisch wahrnehmen: Geschmack, Aroma, Körper und braun-roten Farbton. Was wir schmecken sind chemische Verbindungen deren Löslichkeit sich unterscheidet und die je nach Extraktion und Intensität zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen in der Tasse führen.

Zwei Blickwinkel vereinfachen das Verständnis des Brühprozesses. Was wir aus der Kaffeebohne lösen nennen wir „Extraktion“. Als gelöste Teilchen in der Tasse nennen wir das die „Stärke“ unseres Getränkes und meinen damit die Konzentration des gelösten Kaffees.

Stärke und Konzentration gelöster Kaffeeteilchen

Jedes Kaffeegetränk ist letztendlich Wasser im Verhältnis zu einer bestimmten Menge Kaffeeteilchen, also Stärke. Ein Filterkaffee besteht z.B. aus rund 98.5 Wasser und 1.5 % gelösten Kaffeeteilchen. Ein Espresso, der ja auch in der geschmacklichen Wahrnehmung viel „stärker“ und intensiver ist, besteht aus rund 90 – 92 % Wasser und entsprechend 8 – 10 % gelösten Kaffeeteilchen. Wenn wir von Stärke sprechen, dann von der Konzentration Kaffee im Verhältnis zu Wasser. Die gelösten Kaffeeteilchen heissen auf auf Englisch Total Dissolved Solids und werden mit TDS abgekürzt. Die Konzentration des TDS lässt sich mit dem Refraktometer messen.

Extraktion von Kaffee – was wir aus der Bohne nehmen

Extrahiert werden können aus jeder Kaffeebohne etwa 30 %. Alles andere ist Zellmaterial, Öl, Protein und mit normalen und einfach zugänglichen Mitteln nicht löslich. Doch nicht alles was wir aus einer Kaffeebohne extrahieren können schmeckt auch gut. Es ist ein schmaler Grat zwischen zu viel und zu wenig Extraktion, was wir sensorisch in jeder Tasse Kaffee wahrnehmen.

Überextraktion – zu viel extrahiert

Schmeckt ein Kaffee bitterer als wir es von ihm kennen, haben wir vermutlich zu viel extrahiert. Typischer Grund dafür ist ein zu feiner Mahlgrad. Ein feiner Mahlgrad bietet dem Wasser mehr Widerstand und zwingt es, auf dem Weg in die Tasse mehr zu extrahieren. Im Falle einer Überextraktion mehr als eigentlich gut ist. Die Folge ist ein Kaffee, der bitter, adstringierend und unausgewogen schmeckt. Geschmacklich stellt sich diese Empfindung ein, wenn wir durchschnittlich mehr als 22 % aus einer Kaffeebohne lösen.

Unterextraktion – zu wenig extrahiert

Auf der anderen Seite des Grates droht die Unterextraktion. Wenn wir aus einer Kaffeebohne weniger lösen als angelegt ist, rufen wir nicht nur das Potential der Bohne nicht ab, wir erhalten auch eine saure, grasige und je nach Stärke aggressive Tasse. Wir lösen dann nur die löslichsten Teilchen und haben vermutlich weniger als 18 % aus der Kaffeebohne extrahiert.

Der Sweetspot und der perfekte Kaffee

Die Kunst einen perfekten Kaffee zu brühen liegt darin, diesen schmalen Grat zwischen Über- und Unterextraktion zu bearbeiten und gleichzeitig die gelösten Teilchen in das gewünschte Stärkeverhältnis zu Wasser zu bringen. Eine gelungene Extraktion ruft das Potential in der Bohne ab. Die Stärke definiert welche Art von Getränk wir gebrüht haben.

Stärke von Kaffeegetränken

Die Konzentration der gelösten Kaffeeteilchen ist für jedes Kaffeegetränk festgelegt:

Filterkaffee: 1,2 – 1,5 % TDS

Café crème: 1.8 – 3 % TDS

Americano: 3 – 4.5 % TDS

Espresso: 6 – 10 % TDS

Das sind Näherungswerte, die eine gute Richtung für die Stärke von Kaffeegetränken geben. Wichtig ist dabei zu beachten, dass der übrige Inhalt der Tasse jeweils Wasser ist. Beim Filterkaffee also z.B. mehr als 98% Wasser.

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4 Kommentare

  • Auf den Punkt gebracht. Herzlichen Dank für diese gute und klare Darstellung, das wissen leider die wenigsten, auch die, welche sich als Kenner mit ihren komplizierten, hochtechnischen und teuren Maschinen brüsten. Nespresso hat bedauerlicherweise den Leuten den Geschmack völlig genommen und die wenigsten wissen, wie guter Kaffee eigentlich schmecken sollte. Wir wussten es auch nicht mehr, bis wir aus beruflichen Gründen 1 Monat in Vietnam waren. Da ging für uns die Sonne auf, da wurde Kaffee zur Sucht, und wir haben erlebt, wie die Kaffeeherstellung, von der Aufzucht der Bohnen, zum Rösten und schlussendlich das Brühen ein Geschmackserlebnis ergibt, dass wir so noch nie hatten. Es lohnt sich also durchaus in Qualität und Zeit zu investieren. Deshalb Dank an Leute wie Benjamin, die sich hervorragend mit dieser Materie auseinandergesetzt haben. Ignoranten werden es nie verstehen, anders sind die Umsätze mit Kapseln aller Art nicht zu verstehen.
  • Hey Roberto, danke für diese Worte. Schön zu hören. Grüsse Pascal

  • Ich frage mich, weshalb nach den ersten Sekunden schwarz bis brauner Durchlauf aus dem Siebträger/ oder Kaffeeautomaten, die Brühe immer heller wird, bis sie eine weissliche Farbe annimmt. Viele Leute lassen die Brühe noch lange in die Tasse laufen, wenn diese bereits weisslich ist.
    Was hat dies für eine Wirkung auf das Empfinden, oder den Körper?
  • Noch kein Kommentar? Das geht ja gar nicht!!
    Saubere, sehr klar Erklärung, bestens verständlich - obwohl es sich hier für mich um völlig neue Gedankengänge handelt. Bin wirklich begeistert! Echte Erhellungen für einen (scheinbar recht ignoranten) Kaffeeliebhaber wie mich.
    Herzlichen Dank!!

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