Kuhmilch im Kaffee. Klimakiller oder eine grosse Chance?

Kuhmilch im Kaffee. Klimakiller oder eine grosse Chance?

Kaffee kann kann zwar klimaneutral produziert werden, aber wenn konventionelle Kuhmilch im Cappuccino verwendet wird, ist der Einfluss auf die Ökobilanz viel grösser. Was tun also? Keine Kuhmilch und nur mehr Pflanzendrinks trinken? Wir haben einen Dok-Film gedreht.

Ob Espresso-basierte Milchgetränke, oder ob es ein Schuss Milch in den Kaffee ist, in der Kommunikation über die Produkte wird fast immer nur der Kaffee erwähnt. Denn er ist es ja, was Röstereien und Cafés so gerne in den Vordergrund stellen - die Geschichte hinter der Bohne, den Geschmack und die Produzierenden.

Doch wenn wir auch die Misch-Verhältnisse der Getränke schauen, reflektiert der Fokus auf den Kaffee in keiner Weise den grossen Überhang an Milch. In einem Cappuccino haben wir etwa einen Teil Kaffee und bis zu fünf Teile Milch. Bei einem Latte Macchiato ist es noch krasser, da haben wir fast das Achtfache an Milch drin.

Cappuccino und Latte Macchiato


Klar ist, dass es vielen um den Kaffeegeschmack geht, und die Milch den Kaffee positiv unterstützen kann. So auch uns. Gleichzeitig stellen wir an uns aber das Kriterium, so streng in der Auswahl der Zutaten zu sein, wie wir das beim Kaffee auch versuchen.

Von “Wer hat den Kaffee angebaut” zu “woher kommt diese Milch genau”?

Kuhmilch kann äusserst industriell produziert werden, wie in diesem Dokumentarfilm gut aufgezeigt wird - oder aber Kuhmilch wird auf mittelgrossen und kleineren Höfen produziert. Wenn wir Milch regionaler Marken kaufen, oder sogar direkt vermarktete Milch, kommen wir viel einfacher zu den Informationen über den Milchursprung. Vom "coffee origin" zum "milk origin".

Wenn wir uns die gleichen Fragen stellen wie beim Kaffee, müssten wir hier also fragen:

- Wer produziert wo unsere Kuhmilch unter welchen Umständen?

- Wie gut/schädlich ist das für das Klima?

- Wer verdient hier wie viel?

Und genau das haben wir gemacht. Ich bin zu Jonas Plattner nach Reigoldswil gefahren, der für unser Café Frühling und das Kaffeemacher Café am Bahnhof Basel die Milch liefert.

Im Stall bei Jonas

Jonas Plattner im Kuhstall.

Begleitet hat mich Elias Kaiser von Metaproductions, der den Film mitkonzipiert und produziert hat. Caroline Siefarth von der Delica hat die Milch im wissenschaftlichen Kontext verortet, und Daniel Baertschi hat Milch im Klima-Kontext diskutiert.

Dr. Caroline Siefarth Milchspezialistin der Delica

Dr. Caroline Siefarth, Delica

Der Tag mit Jonas fühlte sich ähnlich an wie ein Besuch auf einer Kaffeefarm. Ich habe versucht, ähnliche Fragen zu stellen, und dabei ergab sich diese Übersicht.

Kleinbäuerliche Bio-Milchproduktion in der Schweiz, am Beispiel von Jonas Plattner, Reigoldswil, BL

Der Hof

  • Jonas lässt seine Kühe auf 30ha Land weiden
  • Er besitzt 15 Kühe und 1 Stier

Die Kühe

  • Die Kühe sind eine Zweinutzungsrasse: sie geben weniger Milch, dafür etwas mehr Fleisch, wenn sie alt sind
  • Jonas' Kühe werden etwa 15 Jahre alt, was sehr alt ist in der Milchproduktion
  • der Stier ist Teil der Kuhherde
  • die Kühe geben zweimal täglich Milch, total etwa 10l pro Kuh
  • in einer Woche produzieren die Kühe etwa 900l

Die Nahrung

  • Die Kühe fressen ausschliesslich nur Gras, im Winter Heu
  • Kraftfutter wie Soya oder Mais kommt nicht zum Einsatz, Jonas verzichtet ebenfalls auf Silage

Der Preis

  • Jonas vermarktet seine Bio-Milch ausschliesslich direkt
  • wir bezahlen ihm 1.85 CHF/l
  • im Supermarkt in der Schweiz kostet 1l Bio-Milch etwa gleich viel
  • Der Abnahmepreis einer Molkerei für Biomilch liegt in der Schweiz pro/l momentan (November 2021) bei 80 Rappen. Der Abnahmepreis für konventionelle Milch bei etwa 65 Rappen.
  • Jonas kann so also etwa 1 Franken mehr lösen, weil er direkt vermarktet

Die Subventionen

  • Die schweizerische Landwirtschaft ist stark subventioniert
  • Jonas lebt fast zu 100% vom Milchkverkauf
  • Real aber sind diese 100% nur 50%, denn die anderen 50% sind die Subventionen, die er als Landwirt erhält
  • insofern wäre der kostenwahre, subventionsfreie Preis für 1l Biomilch von Jonas das Doppelte, also 3.70 CHF


Kalb


Kernaussagen von Caroline Siefarth

  • Milchpulver gibt es immer mehr, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern
  • Milch ist äusserst nahrhaft - Milchfett, Milchzucker, Milchproteine, Mineralien
  • es gibt unterschiedliche Arten von Milchschaum - Proteinschaum (voluminös und fest) und Fettschaum (feinporig und glänzend)
  • wir nehmen Hormone der Kuh auf. Solange wir Milch in geregeltem Mass zu uns nehmen, ist das überhaupt nicht gesundheitsschädlich, weil wir sie kaum aufnehmen und schnell abbauen. Im Verhältnis zu Hormonen die Menschen produzieren, sind die Hormone in der Milch sehr gering und verdünnt
  • über das Futter aber können mehr Hormone in die Milch gelangen, genauso wie auch Antibiotika-Rückstände.
Kalb 1

Jonas' Kühe tragen Hörner, weil das so für ihn stimmig ist.

Kernaussagen von Daniel Baertschi

  • Gute Milch = Idealerweise hat das Tier nur Gras gefressen und war viel draussen
  • es gibt zu viel Milch, v.a. durch Kühe die mit Kraftfutter gefüttert werden
  • es gibt Landwirtschaftsflächen, die nicht zum Ackerbau geeignet sind - für Kuhwirtschaft aber bestens
  • “feed no food” - wir haben eine Flächenkonkurrenz, es macht wenig Sinn, Nahrungsmittel anzupflanzen (Fläche), die dann der Kuh gefüttert wird


die Kuh ist kein klimaschädliches Tier, wenn es kein Kraftfutter frisst. Es ist Teil eines Zyklus. Wenn die Kuh Gras frisst, draussen steht, ist sie keine Klimasünderin.


  • alle, die essen, sind mit der Landwirtschaft verbunden
  • die regenerative Landwirtschaft ist ein System, bei dem die Natur wieder gefördert wird - kein Standard, keine Zertifizierung, mit dem Fokus auf gesunde Böden
  • sie will das Ökosystem in Einklang bringen mit der landwirtschaftlichen Produktion und regenerieren


Kuhmilch - quo vadis?

Die Kuhmilch und insbesondere Kühe sind in den letzten Jahren immer mehr Ziel von Klimadiskussionen geworden. Dient die Kuh als Fleischlieferantin, hat sie den höchsten Einfluss auf Treibhausgase. Wenn sie als Zweinutzungsrasse verstanden wird, dabei als Milchlieferantin und im hohen Alter als Fleischlieferantin dient, ist ihr Co2-Abdruck geringer.

Milchproduktion

Die Diskussion ist komplex.

Ob Kuhmilch klimaverträglich ist, sollte uns nicht als müssige Frage erscheinen - viel eher können wir in allem was wir konsumieren, Chancen sehen, Dinge zu hinterfragen.

Gerade in der Kaffeebranche sollten wir das tun, da wir einen solch starken Fokus auf den Kaffee und seine Hintergründe haben. Da müssen wir der Milch gegenüber fair sein und die Chancen erkennen.

Alternative Milch, oder Pflanzendrinks, sind nicht nur ein Trend, sondern die beste Alternative für alle, die aus gesundheitlichen, ethischen oder nachhaltigen Gründen auf Kuhmilch verzichten. Jedoch gibt es auch da grosse Unterschiede - Soya schneidet schlechter ab als Hafer, weil Hafer regional produziert werden kann. Eine gute Studie dazu findet ihr hier von der Albert-Schweitzer-Stiftung. Wer einen guten Eindruck über die Treibhausgasemissionen bei Kaffee erhalten möchte, findet hier bei The Conversation eine gute Grafik.


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1 Kommentar

  • Hallo,
    Ich finde gut, dass ihr euch der Milch annehmt und hier einiges an Feuer aus der Klimadiskussion rund um die Milch nehmen könnt.
    Dazu hätte ich aber noch eine Frage, die mir im Video offen geblieben ist:
    Muss ich Rohmilch/Frischmilch abkochen bevor ich sie aufschäume oder reicht es aus, sie während dem Aufschäumen zu erhitzen?

    Gruß und allen aus dem Team ein Schönes Weihnachtsfest

    Dieter

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