Robusta als Spezialitätenkaffee? Ein Plädoyer

Robusta als Spezialitätenkaffee? Ein Plädoyer

Kann Robusta überhaupt Spezialitätenkaffee sein? Der Kaffee-Experte Constantin Hoppenz plädiert für ein klares Ja, bringt die stichhaltigen Argumente dafür und fordert die Kaffeeröster heraus.

Ist Robusta der schlechte Arabica? Diese Vermutung hält sich hartnäckig, wir hören sie fast in jedem zweiten Einsteiger-Kurs. Unser langjähriger Freund, Constantin Hoppenz, hat sich dazu präzise Gedanken gemacht. 

constantin hoppenz
Constantin Hoppenz lebt in Berlin und ist Kaffeeberater.

Robusta, eine Spezialität?

Wer Robusta hört, denkt meist nichts gutes. Die Assoziationen reichen von dunklen, italienischen Kaffeemischungen mit großem Mundgeruchpotential zur Massenproduktion in Vietnam für Instantkaffee und andere Billigprodukte.

Das aktuelle Bild ist eindeutig: Arabica als Muss für alle, die Qualität in der Tasse wollen; Robusta für jene, die es er günstig und einfach wollen.

Dementsprechend sind die meisten im Spezialitätenkaffee Robusta gegenüber klar negativ eingestellt. Verständlich. Verkostet man einmal einen Robusta in Standardqualität, zaubert es einem nicht gerade ein Lächeln auf die Lippen. 

Doch warum eigentlich? Ist Robusta wirklich so schlecht wie sein Ruf? Welche Rolle spielt Robusta für die Zukunft des Kaffees? Und gibt es so etwas wie Specialty Robusta Coffee? 

Warum wir uns mehr mit Robusta befassen sollten. Ein Plädoyer. 

Fakten für KaffeeeinsteigerInnen

Der botanische Name von Robusta ist coffea canephora, welcher anders als bei Arabica (coffea arabica) nicht verwendet wird. Die Produktion von Robusta hat in den vergangen Jahrzehnten deutlich an Fahrt zugenommen. Aktuell stammen 40% der weltweiten Kaffeeproduktion aus dem Anbau von Robusta. (39 Million Sack) 1990 waren es mit 19 Million Sack noch weniger als die Hälfte. Die größten Produktionsländer sind Vietnam (40%) , Brasilien (25%), Indonesien (15%), Indien (6%) und Uganda (4,5%). Robusta wächst am besten in tropischen Regionen unter 1000 Metern Höhe (Arabica wächst besser in höheren Lagen).

Klimawandel und Wirtschaftlichkeit

Kaffee ist wie jedes landwirtschaftliche Produkt vom Wetter und anderen Einflüssen der Natur betroffen. ​Coffea arabica ​ist dabei ganz besonders anfällig für Schwankungen von Temperatur und Niederschlag und leidet zudem unter Krankheitsbefall wie Blattrost.

Um 2014 hat “la roya” (Kaffeerost) ganz Mittelamerika befallen und bis zu 50% der Ernte zerstört. Wer denkt, dies wäre für Spezialitätenkaffee, welcher geschützt vor Blattrost in hohen Anbaulagen wächst, nicht relevant, ist weit gefehlt. Die Kaffeeproduktion ist eng verflochten. Genug hochwertigen Kaffee gibt es nur, wenn Anbauländer und ihre Kaffeefarmen in einem gesunden Zustand sind. Der überwiegende Teil an Kaffeebauern mit Spezialitätenkaffee lebt vom Verkauf durchschnittlicher Qualitäten zu Weltmarktpreisen.  

Für Anbauländer wie Nicaragua ist Kaffee mit das wichtigste Exportgut. Daher ist der Erhalt dieses Sektors für diese Länder von großer Bedeutung. Sie sehen einen immer größer werdenden Weltmarkt für Kaffee, an dessen Wachstum sie Teilhaben wollen. 

Steigende Nachfrage nach Kaffee

Bis 2050 soll die weltweite Nachfrage auf bis zu 300.000 Million Sack ansteigen. (Aktuell ca. 160.000 Millionen). Auch wenn man solche Zahlen mit großer Vorsicht genießen sollte, ist der Trend eindeutig. Bis zum selben Zeitpunkt wird sich die für Arabica-Produktion günstige Agrarfläche bedingt durch den Klimawandel jedoch halbieren.

Die Abholzung von Wäldern zur Gewinnung neuer Agrarflächen für Arabica wäre damit die Folge. Hier wäre es eine Perspektive, stattdessen den Bestand an Arabica durch Robustapflanzen in tieferen Anbauhöhen (unter ca. 1000 Meter) zu ergänzen oder zu ersetzen. Der Zugewinn an verwertbaren Kaffee wäre exponentiell, da Robusta einen bis zu vierfach größeren Ertrag erzielt. Hinzu kommt die weitaus einfachere Handhabung und Stabilität im Anbau von Robusta. 

Nachhaltigkeit muss hier auch aus wirtschaftlicher Sicht der Produzenten gedacht werden, denn nur wenn sich Kaffee finanziell lohnt, wird er auch angebaut. Aktuell liegen Weltmarktpreise mit nur 120 US Cent pro Pfund für Arabica unter dessen Produktionskosten. Hinzukommt der oben erwähnte Einfluss von Krankheiten und schlechten Wetterbedingungen, die zu einem geringeren Ernteertrag führen. So ist es nicht verwunderlich, dass Robusta zunehmend als ernste Alternative betrachtet wird. Das Agrarministerium von Kolumbien hat vor kurzem damit begonnen in Zusammenarbeit mit Nestlé über 3000 Robusta Setzlinge für die Kultivierung zu testen. Auch Costa Rica hat kürzlich ein Verbot zur Produktion von Nicht-Arabica-Sorten aufgehoben.

Robusta in der Forschung

Gleichzeitig entstehen durch intensive Forschung neue Arabica-Varietäten, die wesentlich resistenter sind als ihre Vorgänger. Allein das Forschungszentrum ​CATIE (Centro Agronómico Tropical de Investigación y Enseñanza) in Costa Rica untersucht über 1000 neue Varietäten. Dabei ist die genetische Vielfalt von coffea canephora (Robusta) von großer Bedeutung. Sie gilt als evolutionäre Mutter von coffea arabica. (coffea canephora + coffea eugenoides = coffea  arabica) deren genetisches Material zur Entwicklung resistenter Arabicas entscheidend ist.

In einem zu Beginn des Jahres veröffentlichten Artikel mit dem Titel “​High extinction risk for wild coffee species and implications for coffee sector sustainability” heißt es:

“Robusta coffee has therefore been responsible for overcoming most of the key issues for coffee sector sustainability, either by direct replacement or through use in breeding new cultivars, rendering the development and use of other coffee species unnecessary.”

Der Beitrag im Science Advances Magazine weist auf die Bedrohung natürlich vorkommender Kaffeearten hin, deren Schutz für den Fortbestand von Kaffee als Nutzpflanze unabdingbar ist. 

Diese Aspekte stehen also mit Spezialitätenkaffee unmittelbar in Zusammenhang, denn sie beeinflussen fast alle Regionen und Produzenten, die besonderen Kaffee erzeugen. Noch einmal: Spezialitätenkaffee ist nicht losgelöst von den ökologischen Herausforderungen und wirtschaftlichen Nöten der Produzenten, für die Spezialitätenkaffee oft nur ein Bruchteil ihres Ertrages ausmacht. 

Eine sensorische Bereicherung

Auch aus geschmacklicher Sicht, sollte Coffea Canephora kein No-Go sein. Wer bereits einmal in den Genuss eines guten Robustas gekommen ist, weiß, dass dieser nicht per se einen bitteren, faden, dem Geruch von Autoreifen ähnlichen Geschmack hat. Ein Fine Robusta, nach CQI also als Spezialität geltend, ist ebenso wie ein Specialty Arabica sauber und balanciert.   

Geschmacksnoten variieren je nach Terroir und Aufbereitung. Sie sind häufig im nussig-schokoladigen Bereich, können aber auch fruchtbetont sein. Besonders für den Charakter von Robusta ist ein voller Körper, der so manche Arabicas wie dünne Suppe wirken lässt. Zudem hat coffea canephora eine geringere wahrnehmbare Säure und eine höhere Salzigkeit, was sich auf eine größere Menge an Kalium in der Bohne zurückführen lässt. (Man denke an die Geschmacksrichtung Salty-Caramel).

Eine höhere Bitterkeit ist ebenfalls typisch und wird unter anderem durch einen höheren Koffeingehalt verursacht. Bis mehr als doppelt so viel Koffein als in Arabica (2 – 4% vs. 1.5%) ist normal. Wer morgens selbst nach einem  doppelten Espresso (aus Arabica) nicht in die Gänge kommt, wird dies freuen. Zwar gehen die Vorlieben in Sachen Bitterkeit, wie auch bei Schokolade, stark auseinander, jedoch ist sie im richtigen Maße sensorisch bereichernd und anregend. 

Wo sind die Specialty Robustas?

Wenn coffea canephora so lecker sein kann, warum gibt es dann so gut wie keine hochwertigen Robustas in den Cafés dieser Welt zu trinken? Dass Kaffee im allgemeinen ein komplexes Getränk wie Wein sein kann, ist erst seit einer Weile bekannt. Erst 1974 kam der Begriff  Specialty Coffee durch einen Beitrag von Erna Knutsen in Umlauf. Seitdem beschäftigt sich eine stetig wachsende Zahl an Menschen mit diesem einzigartigen Produkt. Damals wie heute  braucht es treibende Kräfte, die Kaffee voranbringen und so für ein Umdenken sorgen. Bisher  fehlten genügend Akteure, die Robusta auch unter Qualitätsaspekten betrachten würden, um dessen Ruf nachhaltig zum Positiven zu verändern. Erste Vorstöße wurden jedoch schon vor einigen Jahren gemacht. 2009 wurden erste Seminare unter Leitung des Coffee Quality Institute zur Bewertung von Robusta durchgeführt. Ziel war es, einen Qualitätsstandard ähnlich wie bei Arabica zu etablieren. Eine neuere Form dieses Protokolls wurde erst kürzlich während der World of Coffee in Berlin veröffentlicht. Nach diesem Protokoll liegt ein Fine Grade Robusta vor, wenn er mindestens 80 Punkte erreicht und weniger als 8 Defekte in einem 350g Sample hat. 

Einige nennenswerte Farmen, die bereits konstant Fine Robusta produzieren, sind das Sethuraman Estate in Indien oder die Jhai Kooperative in Laos.

Wer Specialty Robusta zum ersten Mal kostet, weiß oft gar nicht, dass es sich um Robusta handelt. So schön dies auch ist, sollte man wissen, dass Robusta eine andere Herangehensweise benötigt.

Oft verliert Robusta im Vergleich mit Arabica, da die Spielregeln für Arabica gemacht sind.

Constantin Hoppenz

Häufig betrachten wir hochwertigen Kaffee nur unter dem Aspekt von Potential. Was kann dieser Kaffee bei bestmöglichen Bedingungen bieten? Das ist unrealistisch.

Die Bedingungen für eine gute Tasse Kaffee werden nur selten optimal erfüllt. Orientiert man die Frage, welcher Kaffee gut und weniger gut ist, daran, wieviele zufriedenstellende Tassen Kaffee er letztendlich ermöglicht, ist vielmehr der Durchschnitt als das Extrem entscheidend. 

Robusta ist in der Zubereitung als Espresso wesentlich dankbarer als Arabica. Kaffee wird in den meisten Cafés eher unterextrahiert, was einen Arabica mit hoher Säure weitaus ungenießbarer macht, als einen Robusta.

Zudem wird ein Großteil immer noch als Milchgetränk zubereitet. Mit kräftigen Karamellaromen und viel Körper trifft Robusta hier Geschmack der meisten KaffeetrinkerInnen. Mario Fernandez, Technical Director ICO, hat den Unterschied zwischen den beiden Sorten sehr amüsant aber treffend folgendermaßen beschrieben:

Wenn beide Tiere wären, dann wäre Arabica das Pferd und Robusta der Esel. Robusta ist ein richtiges Arbeitstier während Arabica eher beim Schaulaufen punktet. Einen Esel in der Dressur vorzuführen ist ebenso verfehlt, wie ein Pferd steile Berghänge als Packtier steigen zu lassen. 

Specialty Coffee ist mehr als nur Geschmack

Für die meisten Kaffeebegeisterten begann alles mit der ersten besonderen Tasse Kaffee.  Dieses Erlebnis mit dem ersten fruchtigen Natural Kaffee aus Äthiopien bleibt vielen im Gedächtnis. Doch Spezialitätenkaffee ist viel mehr als das, was in der Tasse ist. Spezialitätenkaffee steht für ein Umdenken. Er steht für Respekt gegenüber viel zu selbstverständlich gewordenen Produkten. Guter Kaffee heißt auch gutes Handeln.

Ansprüche wie Rückverfolgbarkeit und Transparenz, faire Preise und Wertschätzung harter Arbeit sind ein Ausdruck von Werten, die die Welt des Spezialitätenkaffees einzigartig machen. Für mich sind sie der Grund in dieser Branche zu arbeiten.

Constantin Hoppenz

Vertritt man diese Werte mit Überzeugung, ist es nur konsequent bei Robusta den gleichen Anspruch zu erheben.

Wer sich als Rösterei “Specialty” auf die Fahne schreibt und für Nachhaltigkeit steht, kann nicht gleichzeitig gegen Robusta wettern. Oder ist es etwa undenkbar, dass ein Robusta Produzent die bestmögliche Qualität produzieren will, nachhaltigen Anbau betreibt und direkt mit Röstereien zusammenarbeiten möchte?

Dabei ist es kein Kompromiss in Sachen Qualität, wenn wir als Kaffeeindustrie der Produktion von Robusta mehr Aufmerksamkeit schenken. Denn das Streben nach immer besseren Kaffees im einfachen Sinne kommt irgendwann an seine Grenzen. Lasst uns Kaffee im Zusammenhang denken. Wenn wir Qualität in die Breite entwickeln, anstatt immer nur weiter nach oben, können wir letztendlich mehr Menschen für Kaffee begeistern – egal ob Arabica oder Robusta. 

Constantin Hoppenz

Berlin, im September 2019

Wie verkostet man Robusta „richtig“? Ein Bericht zum R-Grader Kurs

Wie schmeckt fine Robusta als Espresso? Verkostet unseren Robusta-Espresso aus Java.

Philipp Schallberger
Philipp Schallberger
Philipp Schallberger ist Co-Geschäftsführer der Kaffeemacher. Er leitet die Rösterei und ist verantwortlich für den Rohkaffee-Einkauf und die Projekte im Kaffee-Ursprung. Er ist Q-Arabica Grader und jurierte während mehrere Jahren Barista-Weltmeisterschaften. Die Erfahrung aus Stiftungsarbeit für Kleinproduzenten und in der Forschung und Entwicklung einer grossen Rösterei gibt Philipp auch als Berater weiter. Er führt den Kaffeemacher Podcast Coffea, gründete den ersten Schweizer Bio-Haferdrink "Gutsch" mit und wenn er keinen Kaffee machen würde, dann wäre es wohl Wein.

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